Zur Geschichte: Gedanken zum Jubiläum „85 Jahre Handball in Calbe“
von Reinhard Hädecke
Im Frühjahr 2007 schrieb man viel über das deutsche Handball-Wintermärchen als die Bundesrepublik gefeierter Handballweltmeister wurde und der Handballsport wieder mehr an Popularität in Deutschland gewann. In unserem Landkreis gehört Handball unabhängig von diesem beeindruckenden Ereignis schon immer zu den beliebtesten und traditionellen Sportarten.
Als jetzt das Programm zum Jubiläum „85 Jahre Handball in Calbe“ in der Volksstimme vorgestellt wurde, wollte ich es gar nicht glauben, dass es schon wieder über 50 Jahre her ist, das in Calbe auch einmal ein kleines Handballwunder stattgefunden hat.
Noch heute fühlt man die Begeisterung, wenn alte Calbenser von dieser Zeit erzählen und sich an die Jahre ab 1952 bis 1955 erinnern, wo die Betriebssportgemeinschaft (BSG) Stahl Calbe stets bei der Vergabe des Meistertitels im Feldhandball mit vorn lag und zweimal selbst den Titel eines DDR-Meisters erringen konnte. Unvergessen für viele war der 11:8 Sieg gegen Dynamo Halle in der Regenschlacht im Magdeburger Heinz-Germer-Stadion vor 20000 Zuschauern, was den DDR-Meistertitel 1953/1954 bedeutete. Stahl Calbe sicherte sich diesen zweiten Titel mit folgender Aufstellung:
Napp; Schlöcker, Burau; Kosche, Wenzel, Körting; Haferburg, Eisenhardt, Helming, Aßmann, Kaatz.
„Der Beste wurde Meister“ schrieb das Fachorgan „Der Handball“. „Kein Spieler überragte offensichtlich seine Kameraden, sondern was beispielsweise Aßmann, Eisenhardt, Kosche und Napp voraushatten in der Inszenierung des Spieles, das machten die anderen durch ihren Einsatz wieder wett. Den einen loben, hieße den andern hintenanstellen. Kaatz, Helming, Haferburg, Körting, Wenzel, Schlöcker und Burau bildeten mit den bereits erwähnten Kameraden eine Elf, die sich nicht aufgibt und den Erfolg erzwingt.“
An anderer Stelle wurde unter der Überschrift „Calbe hart und biegsam wie Stahl“ der Erfolg damit begründet, weil sie als Mannschaft fest gefügt sind wie das Material, mit dem viele im damaligen Niederschachtofenwerk umgingen. „Hart und zäh, und doch wieder wendig und einfallsreich ist ihre Kampfesweise die richtige Mischung geworden von Können, Kampfkraft und Erfahrung.“
Mit meinen Gedanken möchte ich nicht versuchen, Ergebnisse aneinanderzureihen und Tabellen aufzustellen, sondern an einige Schwerpunkte erinnern, die mir aus dieser Zeit erwähnenswert erschienen. Tatsache ist, dass die meisten Spieler, die mit Calbe zu Titelehren kamen, in den Länderspielen der DDR- Nationalmannschaft und anderen Auswahlmannschaften stets vertreten waren. So brachten es z.B. der später nach Eisenach gewechselte Werner Aßmann auf 16 und der immer Calbe die Treue gehaltene Kurt „Jackel“ Helming auf 12 Feldhandballländerspiele. Später wurden auf Grund der guten Nachwuchsarbeit im Verein die Spieler Kurtz, Gärtner und Warm Jugendnationalspieler. Letzterer war der erste Kapitän einer DDR-Jugendauswahl, die vor 40 000 Zuschauern in Leipzig Polen mit 17:13 bezwang.
Bei der Durchsicht alter Zeitungen fiel mir auf, dass Stahl Calbe nicht nur die Zuschauer bei Punkt- und Pokalspielen begeisterte, sondern dass die Elf eine große Anzahl von Freundschaftswettkämpfen zu vielerlei Anlässen bestritten hat. Immer waren sie zur Stelle, wenn es darum ging, Werbung für den Handballsport auf Sportfesten in Stadt und Land von Ahlbeck, Aken, Brumby, Güsten, Ilsenburg, Magdeburg, Leipzig, Riesa bis Staßfurt und Suhl zu betreiben. Da auf dem Feld gespielt wurde, waren Doppelveranstaltungen mit Fußball z.B. bei Pressefesten mit bis zu 20 000 Zuschauern keine Seltenheit.
Selbst als die Mannschaft durch Spielerabgänge und das Alter große Aderlässe über sich ergehen lassen musste und nur noch um den Klassenerhalt in der Oberliga kämpfte, war der „Altmeister“ auch weiterhin gern gesehener Gast.
Viele Sympathien besaßen die Aktiven des zweifachen Feldhandballmeisters Stahl Calbe auch im Westen unserer Heimat. Als Sendboten des DDR- Handballs, der damals wie andere Sportarten auch um die die internationale Anerkennung kämpfte, bewiesen sie, dass sie in der Lage waren, den westdeutschen Handballern ebenbürtiges Können entgegenzusetzen. Wenn auch als „Ostzonenmeister“ betitelt, waren sie in zahlreichen innerdeutschen Spielen gegen damals führende Regionalliga- Mannschaften wie Phönix Essen, TuS Hattingen, Eintracht Braunschweig, Rotweiß Oberhausen, TuS Düsseldorf- Gerresheim, Westfalia Hagen erfolgreich.
Am 28. April 1957 wurde ein Stück deutscher Handballgeschichte der Nachkriegsjahre geschrieben, als die BRD und die DDR, die damals besten Handballmannschaften der Welt das erste Mal aufeinandertrafen. Die DDR konnte an diesem Tage gegen den zweimaligen Nachkriegsweltmeister BRD, der in 36 Länderspielen nicht verloren hatte, vor 50 000 Zuschauern in Hannover mit 16:13 gewinnen.( Das war 17 Jahre vor dem Sparwasser- Tor in Hamburg!) Es hatte sich gezeigt, dass unter Zurückhaltung weltanschaulicher und politischer Interessen solche Treffen möglich waren. Für die DDR- Spieler war das ein Gipfelpunkt ihrer bisherigen Karriere. Einer von den „Bezwingern“ des Weltmeisters BRD war als zweifacher Torschütze Calbes bekanntester Nationalspieler „Jackel“ Helming.
Im Jahre 1955 konnten die Nationalspieler der DDR noch nicht an der Feldhandballweltmeisterschaft teilnehmen, weil die Internationale Handballförderation die Aufnahme des DDR – Handballverbandes noch nicht beschlossen hatte. 1959 gewann eine Gesamtdeutsche Mannschaft mit Hans-Jürgen Wende aus Magdeburg als Kapitän den Feldhandballweltmeistertitel. Calbenser Spieler waren leider in diesem Jahr nicht mehr beteiligt. Somit ist Siegfried Warm der einzige Handballer von Stahl Calbe, der nach seinem Wechsel zur DHFK Leipzig mit der DDR- Nationalmannschaft 1963 Weltmeister und 1967 Vizeweltmeister im Feldhandball wurde. Wie der Buschfunk in Calbe berichtete, soll er als Ehrengast auf Einladung des Deutschen Handballbundes an der Hallenhandballweltmeisterschaft in Köln teilgenommen haben. Somit schließt sich der Kreis wieder von der Vergangenheit zur Gegenwart.
Statt eines Schlusswortes
In der Presse habe ich mit Freude zur Kenntnis genommen, dass die Fußballer der TSG Calbe anlässlich ihres diesjährigen Jubiläums ein Maskottchen herausgebracht haben. Falls die Calbenser Handballer so etwas zu einem späteren Zeitpunkt auch planen, würde ich es „Jackel“ nennen.
Text und Foto/Repros (4): Reinhard Hädecke
Dieser Artikel wurde am 07.Mai 2007 von Lars Rode veröffentlicht und wurde unter Aktuell abgelegt. (aktualisiert: 07.Mai 2012)