Souverän nach langer Anlaufzeit
Die TSG Calbe spielte in der zweiten Halbzeit gegen die SG Kühnau den vielleicht besten Handball der Saison und siegte 32:24 (11:13).
Von Enrico Joo
Calbe l Ganz außen stand Mathias Walther. Fast schien es so, als würde der Mann mit dem Zopf und dem Dreitagebart nicht so ganz zum gewöhnlichen Etablissement zu gehören. Er lächelte ein bisschen, er wirkte schüchtern. So ganz wohl fühlte sich der Handballer der TSG Calbe da am Sonnabend nicht, als der Hallensprecher ihn vor dem Spiel aus der Reihe ausscheren ließ. „Willkommen beim ersten Heimspiel nach über 14 Monaten“, donnerte es durch die Heger-Sporthalle. Walther, der so lange mit einem Kreuzbandriss pausieren musste, winkte kurz, nahm das Dankeschön von Torsten Sowa, dem Mannschaftsbetreuer, entgegen und scherte wieder in die Reihe ein.
Das war die erste gute Nachricht des Tages. Walther ist zurück. Und in der 19. Minute war es dann tatsächlich soweit. Trainer Andreas Wiese holte den 28-Jährigen erstmals auf das Parkett. Es blieb am Ende bei wenigen Minuten Spielzeit. Wie vorher angekündigt. Walther soll sich langsam zurück finden. Die zweite gute Nachricht war der Heimsieg des Sachsen-Anhalt-Ligisten gegen die SG Kühnau mit 32:24 (11:13). Und es war vor allem die Art und Weise der Dominanz im zweiten Durchgang, die so manchen Fan und Handball-Experten mit der Zunge schnalzen ließ. „Das war die beste zweite Halbzeit der ganzen Saison“, strahlte auch Abteilungsleiter Gunnar Lehmann nach dem Spiel. „Die erste Halbzeit war aber eher schwach.“
Das sah nicht nur er so. Wobei es mehr als nachvollziehbare Gründe für den durchwachsenen ersten Durchgang gab. Denn wenige Stunden vor dem Spiel wurde das gewiss, was die Calbenser schon seit dem Abschlusstraining am Donnerstag geahnt hatten: Mit einem Einsatz von Maximilian Weiß wurde es nichts. Die Schulterprobleme behinderten ihn doch zu stark. Ohne den Stammspieler auf Linksaußen musste der Coach tatsächlich umstellen. Als „Super-Gau“ hatte Wiese den Ausfall von Weiß bezeichnet.
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Krause ersetzt Weiß
Der eher bullige Rückraum-Spieler Ronny Krause musste Weiß ersetzen. Im Rückraum klaffte dann durch die Umgruppierung Krauses und dem Ausfall der Aufbauspieler Daniel Gieraths und René Hulha dafür ein riesiges Personalloch. Wiese musste zugeben, dass er am Anfang nicht so genau wusste, wie er das stopfen soll. „Ich konnte nichts vorbereiten“, sagte er entschuldigend. Denn Weiß hatte sich erst ganz am Ende des Trainings verletzt. Da war keine Zeit mehr für neue Übungen. Und so agierte Calbe von Beginn an fahrig, nervös und unkonzentriert. Immer wieder produzierte die TSG simple Ballverluste, die zu Tempogegenstößen und Gegentreffern führten. 3:7 lag Calbe in der neunten Minute hinten, 4:9 in der 14. Minute.
Doch Panik schob Wiese da noch nicht. Die komplette erste Hälfte war nur dafür da, zu experimentieren und das richtige Mittel im Angriff für die zweite Halbzeit zu finden. „Handball ist wie Schach“, erklärte Wiese. „Und da brauchst du einen Kopf.“ Den er in Halbzeit eins nicht hatte. Nominell hatte Calbe zwar meist einen Mittelmann, eigentlich standen da aber drei Rückraum-Shooter auf dem Feld, die es nicht schafften, sich gegenseitig in Szene zu setzen. „Das Spiel lesen können nicht viele“, so Wiese. „Mir haben gleich drei solche Spieler gefehlt.“
So spielte also Krause auf Linksaußen, in der Mitte mal Felix Kralik oder Mathias Walther, später dann auch die eigentlichen Abwehrspezialisten Kevin Reiske und Ron Barby. Kurz vor dem Ende der ersten Hälfte probierte es Wiese auch mit zwei Kreisläufern (Florian Lück und Nils Rätzel). All das wirkte nicht souverän. So ging Calbe mit einen 11:13-Rückstand in die Kabine.
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Übergänge funktionieren
Plötzlich stimmten aber die Laufwege. Durch den jetzt glänzend aufgelegten Stefan Wiederhold kam Calbe auch zu vielen schnellen Toren. Beim 18:17 durch Lück (42.) hatte Calbe erstmals im Spiel dann die Führung übernommen. Es wurde vor allem im Angriff viel rotiert. Kralik zog ohne Ball aus dem Rückraum als verkappter zweiter Kreisläufer nach vorn, die Außen Krause und Schwarz zogen dafür nach innen und sorgten für ein Überangebot im Rückraum. Je länger das Spiel dauerte, desto mehr Probleme hatte Kühnau mit diesen schnellen Wechseln. „Die Automatismen haben in der zweiten Halbzeit funktioniert, in dem wir immer wieder Übergänge mit Felix (Kralik, Anm. d. Red.) gespielt haben“, erklärte Wiese. Dann kehrte der Coach in seinen Ausführungen zum Schach zurück. „Du brauchst Könige und Königinnen. Und unser Torwart war die Königinnen-Position“, so Wiese. „Er hat überragend gehalten.“
Und als Kühnau beim Stand von 26:22 für Calbe (54.) alles auf eine Karte setzte und auf totale Manndeckung umstellte, wurde es sogar noch sehr deutlich im Ergebnis. So schüttelten der wieder flinke Marius Schwarz (54.), Ronny Krause (55.) und wieder Schwarz (56.) immer wieder ihre Bewacher an der Mittellinie ab und zogen allein zum Tor. Am Ende sah es ganz leicht aus. „Vielleicht war das ein Befreiungsschlag“, hoffte Wiese. „Wir brauchen den Kick. Denn bisher war das in dieser Saison noch nicht so dolle.“ Vielleicht war aber der Sonnabend ein Wendepunkt für die TSG in der Saison 2017/2018.
Calbe: Wiederhold, Bertram, Krautwald – Walther, Barby (5), Krause (5), Lück (6), Rätzel, Schwarz (8), Borzucki (1), Kralik (4), Reiske (3)
Siebenmeter: Calbe 0/2 – Kühnau 3/3
Zeitstrafen: Calbe 4 – Kühnau 3
Quelle Volksstimme vom 27.11.2017
Dieser Artikel wurde am 27.November 2017 von Dorle Hädecke veröffentlicht und wurde unter Männer, Spielberichte abgelegt. (aktualisiert: 28.November 2017)